CSU: Keine Lust auf Selbstbestimmung

Bei der Gemeinderatssitzung am 30.3.2023 stellten wir den Antrag zum Beitritt zu der bundesweiten Initiative „lebenswerte Städte und Gemeinden durch angemessene Geschwindigkeit“ (https://www.lebenswerte-staedte.de). Die Initiative setzt sich gegenüber dem Bund dafür ein, dass die Kommunen mehr Einfluss auf die lokale Verkehrspolitik bekommen. Aktuell sind hier die Möglichkeiten durch die Straßenverkehrsordnung stark begrenzt.

Auch der Deutsche und Bayerische Städtetag befürwortet das Ziel mehr Einfluss auf die Gemeinden bei der Verkehrsplanung zu übertragen. Hierdurch kann mehr Klima- und Umweltschutz, Gesundheitsschutz und eine Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden. Über 600 Gemeinden sind dieser Initiative bundesweit schon beigetreten, mit täglich wachsenden Beitrittszahlen.
Doch der Großteil der CSU und der FW meinen es besser zu wissen. Mit einer 7:9 Abstimmung wurde der Antrag abgelehnt.

Unter anderem wurde von der CSU behauptet, dass durch langsamen Verkehr mehr Feinstaubbelastung entstehen würde. Dies ist nicht korrekt: Im Gesamteffekt ist eher das Gegenteil der Fall (Quelle 1). Auch das von der CSU angemahnte: „man würde nicht mehr so schnell weiterkommen“, ist falsch. Durch Tempo 30, sinnvoll (also durchgehend und nicht als Flickenteppich) vor Ort eingeführt, kann nicht nur der Verkehrsfluss deutlich verbessert, sondern auch das Unfallrisiko signifikant minimiert werden (Quellen 2 und 3). Und jeder, der schon mal in einer Stadt mit verkehrsberuhigter Innenstadt unterwegs war, weiß wie angenehm dies für alle Beteiligten ist.

Zu schade, dass es wohl weder der CSU noch den FW wert ist, zumindest dieser Initiative beizutreten. Ging es doch erstmal nur darum, als Kommune selbst später darüber zu entscheiden, wann und wo welche Geschwindigkeiten angeordnet werden. An dieser Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung sollte doch jeder Gemeinderat großes Interesse haben.

Für den Antrag stimmten: Neben den Grünen und der SPD bekam der Antrag jeweils eine Stimme von der CSU und den FW.

Das genaue Abstimmungsergebnis kann im Bürgerinformationssystem (öffentliches Protokoll, S. 17-18) nachgelesen werden.

Quellen:

  • Auszug aus Studien in BW, veröffentlicht „Deutscher Bundestag Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 – 3000 – 102/19 Fahrzeug-Emissionen bei 30 km/h und 50 km“:
    Die motorbedingten Belastungen durch Feinstaub (PM 10) stiegen bei Tempo 30. Doch es gibt noch einen gegenläufigen Effekt: Die Belastung durch Feinstaub, der durch Abrieb (Reifen, Bremsen, Straßen) und Verwirbelung entsteht, sinkt. Daher kann eine Geschwindigkeitsbeschränkung auch die Belastung mit Feinstaub verringern.
  • Studie des Umweltbundesamtes „Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen“
    https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2546/publikationen/wirkungen_von_tempo_30_an_hauptstrassen.pdf

    (…) in der Praxis wurden bei Messfahrten Reisezeitverluste an Tempo-30-Strecken von 0 bis 4 Sekunden je 100 Meter festgestellt. Dies ist auch bei längeren Abschnitten oder einer Aneinanderreihung von mehreren Regelungen volkswirtschaftlich kaum relevant. Wichtiger für die subjektive Wahrnehmung und damit die Akzeptanz von Tempo 30 ist die Homogenität des Verkehrsflusses. Der Verkehrsfluss kann Messungen zufolge bei Tempo 30 besser sein als bei Tempo 50 (…)
  • Beitrag aus der Vlaamse Radio- en Televisieomroeporganisatie (VRT; deutsch „Flämische Hör- und Fernsehfunkorganisation“) https://www.vrt.be/vrtnws/de/2022/01/05/1-jahr-tempo-30-zone-bruessel-eine-erfolgsstory-halbierung-der/
    (…) Tempo 30 überall in Brüssel hat im ersten Jahr nach der Einführung nicht dazu geführt, dass die Fahrt- und Reisezeiten länger geworden sind. Gleichzeitig nahm aber die Zahl der Verkehrsunfälle ab und die Lärmbelästigung durch den Straßenverkehr ist merklich nach unten gegangen. Das sind die groben Schlüsse aus dem Bericht „Brüssel 30“ der regionalen Verkehrsagentur „Brüssel Mobilität“, die jetzt vorgelegt wurde.
    Brüssels regionale Verkehrsministerin Elke Van den Brandt (Groen) zeigt sich mit diesen ersten Resultaten zufrieden: „Jetzt, wo die 30er-Zone seit einem Jahr läuft, können wir mit Sicherheit Schlussfolgerungen ziehen. Die Geschwindigkeit nimmt auf allen Straßen ab und auch die Lärmbelästigung geht zurück. Verkehrsunfälle kommen weniger oft vor und sind bedeutend weniger schwer. Mit einer Halbierung der Zahl der Todesopfer im Straßenverkehr sind wir auf dem richtigen Weg.“ (…)